Bye bye Haiti!

Ganze zehn Tage sind aus dem “kleinen Zwischenstop” geworden. Die Insel “Ile a Vache”, besonders aber das kleine Fischerdorf Caille Coque, hat es uns angetan. Schon öfters haben sich Pläne auf unserer Reise schnell wieder geändert. Und das ist es ja, was wir wollen, uns treiben lassen. Als der Anker vor zehn Tagen fiel, war uns allen klar, hier müssen wir bleiben. Wir sind überwältigt von der Herzlichkeit, Offenheit und Lebensfreude der Bewohner von Caille Coque. Hier lebt man unter einfachsten Bedingungen, es gibt kein fließendens Wasser, keinen Strom. Gekocht wird auf Holzkohlen was die Natur einem gibt. Im ganzen Dorf kann man barfuß laufen, es gibt keine Straßen, keine Autos. Trotzdem – oder genau deswegen – sind die Menschen so toll. Thiery ist 22 Jahre alt und studiert Englisch in Le Cayes auf der Hauptinsel. Er war für uns Ansprechpartner und Übersetzer – und Freund. Er möchte Englischlehrer werden, wird im Dorf von allen bewundert. “Schulbildung ist das wichtigste für Haiti” erklärt er uns. Aber hier muss kein Schulschwänzer in die Schule gebracht werden. Alle gehen gern in die Schule, man kann sagen, sie sind stolz darauf in die Schule gehen zu dürfen. Jede Schule hat ihre eigene Schuluniform, in Caille Coque grün und weiß, die Mädchen mit großen, grünen Schleifen in den Haaren. Obwohl es bunte Werbeplakate der Regierung mit dem Slogan “Freie Schule für alle Kinder” gibt, wird uns erzählt, dass nach wie vor Schulgeld bezahlt werden muss. Denn die Regierung hat bisher noch kein Geld geschickt um die Lehrer zu bezahlen. Das Schulgeld ist (für westliche Standards) mit 50 US$ pro Jahr gering, trotzdem können sich nicht alle Familien leisten, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Haitis Problem ist, dass es keine Jobs gibt. Die Leute wollen arbeiten, das erleben wir jeden Tag. Ständig wird unser Boot umzingelt von Kanus, jeder möchte sich ein bisschen Geld verdienen. “I can clean your Boat” sagte uns Calmar schon am ersten Tag. Anfangs hatten wir ein schlechtes Gewissen faul an Deck zu sitzen während jemand unser Unterwasserschiff schrubbt. Aber die “Minijobs” die von den paar Segelbooten vergeben werden, sind oft die einzige Möglichkeit an Geld zu kommen. So geben wir viele Dinge, die wir sonst selber machen würden, in Auftrag und kennen bald das ganze Dorf. Besonders die Kinder haben riesige freude kleine Jobs zu erledigen. Machenry (Makaui) holt uns jeden Tag eine riesige Tüte Mangos (die wachsen hier wie Unkraut an jeder Ecke), Clemens ist fürs Brot zuständig, ein paar andere Kids bringen den Müll weg, Ashley versorgt uns mit frisch gefangenen Langusten usw.. So wechseln einige Münzen und viele Geschenke (Bonbons, Stifte, Schulhefte, Bücher, Öllampen, Kerzen ) den Besitzer. Irgendwann war dann auch mal unser Wassertank leer. Nur wie bekommt man 400 Liter Wasser vom Dorfbrunnen auf die Sonntag?Per Kanu! Wieder ein Job. Das ganze hat sich allerdings über drei Tage hingezogen, zwischendrin hat die Handpumpe vom Brunnen den Geist aufgegeben. Um halbwegs sicheres (sauberes) Wasser im Tank zu haben mussten wir dann auch nochmal alles durch einen Kohlefilter pressen und reichlich Chlor dazu schütten. Schließlich gab es noch vor wenigen Jahren Cholera auf Ile la Vache. Wir hatten traumhafte Spaziergänge (eher Märsche, die einheimischen gehen ziemlich schnell) über die Insel, haben wunderschöne, menschenleere Buchten entdeckt, sind durch fruchtbare Gärten und Wälder gelaufen (Mango all you can eat), waren Kitesurfen, Schnorcheln,… Der Ausflug in die Nächste große Stadt “Le Cayes” war beeindruckend. Es ging früh morgens mit dem “Taxiboat” los. Ein Holzkahn mit 40 PS Außenborder der so kippelig war, dass der Steuermann immer alle laut ermahnt hat, in der Mitte zu sitzen. Zwei mal am Tag, morgens und mittags, verbinden diese Boote Caille Coque mit Le Cayes. Drüben angekommen setzt man in ein noch kleineres Ruderboot über und dann lässt man sich an Land tragen (!!!). Wir haben es vorgezogen durchs knietiefe Wasser zu gehen. Plötzlich waren wir aus der “heilen Welt” mitten im Trubel einer Stadt. Überall rasten Motorräder um uns herum, die Stadt ist dreckig und laut. Viele Junge Menschen sind auf der Straße. Thiery zeigt uns seine Uni, wo man so abhängt und noch viele andere Ecken. Auf dem Markt decken wir uns mit Lebensmitteln ein und sind froh, am Nachmittag wieder auf der Badeplattfor der Sonntag zu sitzen und die Füße ins Wasser zu halten. Ile a Vache ist eben ein besonderer Platz. Einen Abend kochen wir an Bord für einige unsere Freunde aus Caille Coque. An einem anderen Abend kochen Thiery, Colby und Gerlin Creolisch für uns, auch bei uns an Bord.Für viele Menschen bei uns zu Hause wäre ein Leben auf einem Segelboot ein enormer Komfortverlust. Für unsere neuen Freunde ist es das Luxusleben pur (fließendes Wasser, Strom, Abwasser, Toilette, etc.) und sie sind gerne bei uns und irgendwie auch stolz, dass wir sie einladen. Nachts sieht man nur selten ein Licht am Strand, das ganze Dorf ist unbeleuchtet. So vergehen die Tage, der eine schneller als der andere und wir könnten noch ewig hier bleiben. Doch heute ist auch Bauzi in Holguin (Kuba) gelandet und schließlich wollen wir ihn auch nicht zu lange allein warten lassen. Also haben wir heute Mittag schweren Herzens und nach langer Verabschiedung den Anker aufgeholt. Ile la VAche, wir kommen bestimmt wieder! Vielen Dank! Grade passieren wir das Cap Tiburon, den westlichsten Zipfel der Insel Hispaniola. Seit Stunden fahren wir bei sternenklarer Nacht und Mondschein an der Küste entlang und sehen kaum ein Licht an Land. Nur gelegentlich überholt uns ein größerer Frachter. Der Wind ist eingeschlafen und so brummt der Diesel unter Deck. Direkt neben mir das vertraute “pffff”. Das Geräusch das Delphine machen wenn sie ausatmen. Tatsächlich, eine kleine Delfinschule planscht um die Sonntag herum, mitten in der Nacht. Neuer Kurs 330° nach Puerto de Vita in Kuba. Kuba ist kein “seglerfreundliches” Land und so gibt es nur wenige Häfen in denen wir einklarieren können. Die Nordküste Kubas hat im Westen leider keinen Hafen den wir anlaufen dürfen.Für uns heißt das, daß wir wieder ca. drei Tage auf See sein werden. Es bleiben uns noch sechs Wochen um diese riesige Insel zu bereisen. Die meiste Zeit davon wollen wir als Backpacker an Land unterwegs sein. Spätestens Anfang Juni wird die Sonntag dann zu ihrem letzten großen Schlag mit uns nach Miami aufbrechen. Ahoi!

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